Hier wird die Bergmühle beschrieben

Zu den Kupferberger Wirtschaftsbetrieben zählte auch die Bergmühle, die Holzschleiferei des Grafen zu Stolberg-Wernigerode.
Eine Holzschleiferei ist ein Zulieferbetrieb für die Papierfabriken, in dem aus Faserholz (hauptsächlich Fichte) auf mechanische Weise Zellstoff gewonnen wird. Zellstoff und die auf chemischem Wege aus Holz gewonnene Zellulose bilden das Rohprodukt zur Papiergewinnung.
Schleifholz für die Bergmühle kam aus den umliegenden gräflichen Forsten. Das Holz mußte weiß geschält werden, Rinde und Bast durften also nicht mehr am Holz sein. Das geschah in der „Schälbude“, einem großen Holzschuppen, in dem manchmal bis zu vier Leute beschäftigt waren und in dem auch die Rinde trocken gelagert wurde. Die Rinde ist von Landwirten aus der Umgebung gerne gekauft worden.
Bevor das Holz in den Schleifapparat kam, mußte es mit der Kreissäge auf Halbmeterstücke abgesägt werden. Durch den im Schleifapparat rotierenden Schleifstein wurde das Holz mit Wasserspülung zerrieben. Ein Schüttelsieb fing die im Holzbrei noch enthaltenen Späne auf. Der Holzbrei durchlief nun, bewegt von den zugehörigen Pumpen den Raffineur, den Sortierer und die Rührbütte und kam zuletzt in die Pappmaschine. Dort nahm ein Siebzylinder den gereinigten Holzstoff auf, übertrug ihn auf ein umlaufendes Filzband, von dem er sich auf eine glatte Metallwalze wickelte. Hatte er darauf eine bestimmte Dicke erreicht, wurde er abgeschnitten und in Packen zusammengelegt.
Der Holzstoff – Zellstoff – wurde überwiegend in die Papierfabrik Jannowitz, aber auch nach Cunnersdorf, Weltende und sogar nach Mauer am Bober geliefert. Die Maschinen des Werks wurden durch eine Francisturbine angetrieben. Weil das Boberwasser bei längeren Trockenzeiten für die Turbine zu wenig war, kam es zum Einbau eines großen Verbrennungsmotors, der mit Holzgas angetrieben wurde. Anfang des II. Weltkrieges wurde dieser Motor wieder ausgebaut und verkauft, da er nur selten gebraucht wurde.
Gearbeitet wurde von Montag 6 Uhr bis Sonnabend 22 Uhr durchgehend, also auch nachts. Die drei Schichten je Tag waren von 6 – 14 Uhr, 14 – 22 Uhr und 22 – 6 Uhr eingeteilt. Die im Werk beschäftigten Schleifer, je einer pro Schicht, waren voll ausgelastet. Denn der Schleifapparat mußte ständig mit Holz gefüttert und das Schüttelsieb von Spänen gereinigt werden. Die Pappmaschine rief mit Glockenzeichen zum Holzstoffabschneiden. Die Turbine war von Hand nachzuregulieren und die beiden Rechen am Wasserlauf sollten von Laub und Treibholz freigehalten werden. Wuchs dem Schichtarbeiter, z. B. bei Hochwasser oder einer Betriebsstörung, die Arbeit über den Kopf, mußte der Werkführer einspringen.
Zum Stammpersonal der Bergmühle gehörten Bettermann Paul aus dem Weigelschen Garten, August Ermrich und Heinrich Friebe aus Ober-Jannowitz, Richard Fürle jun. aus Dreschburg und Knörich sen. aus Kupferberg. Von den Nachwuchsarbeitern, die Anfang 1940 eingestellt wurden, ist mir namentlich nur noch Konrad Drescher aus Kupferberg bekannt.
Die Bergmühle war nicht immer eine Holzschleiferei. Erst 1904 war sie in eine solche umgebaut worden. Vorher war es eine Mühle mit einem mehrstöckigen steilen Schindeldach. Daß in der Mühle auch gebacken wur­de, bewiesen zwei große Backöfen im Keller, von denen einer noch von meinen Eltern hin und wieder benutzt wurde. Im Rentamt des gräflichen Schlosses in Jannowitz hing ein Ölgemälde dieser alten Bergmühle.
Ein Brand zerstörte kurz nach der Jahrhundertwende das Gebäude bis auf zwei Stockwerke. Aus Erzählungen weiß ich noch, daß brennende Schindeln bis in den Weigelschen Garten flogen. Beim Um- und Wiederaufbau in eine Holzschleiferei half auch mein Großvater Vinzenz Gottstein, Tischler und Mühlenbauer, gebürtig aus Spindlermühle. Er blieb als Werkführer in der Bergmühle. 1930 wurde mein Vater Werkführer, der seit 1920 bereits als Schleifer im Betrieb gearbeitet hatte. So habe ich meine Kinder- und Jugendzeit in der Bergmühle verbracht und konnte daher aus der Erinnerung noch einiges berichten.
Nun noch zur Lage der Bergmühle. Abgeschieden, im Bobertal eingeengt von den Abhängen des Landeshuter Kammes und den noch steiler aufragenden Bleibergen, lag sie direkt am Wasser. Die Brücken über den Bober und den Mühlgraben verbanden die beiden Uferseiten. Für den Briefträger, der die Tour ins Jannowitzer Oberdorf und den Weigelschen Garten hatte, war dies die einzige Möglichkeit, auf die andere Boberseite zu kommen. Daher wurde die Bergmühle auch von den Jannowitzer Briefträgern bedient. Sie gehörte aber nicht nach Jannowitz und auch nicht zum Weigelsehen Garten, sondern lag auf dem Gemeindegebiet von Kupferberg. Wir mußten auch nach Kupferberg in die Schule gehen.
Das Wehr, bei dem das Wasser des Bobers in den Mühlgraben abgeleitet wurde, lag schon jenseits der nahen Kreisgrenze auf Rudelstädter Gebiet. Wehr und mit Einschränkung auch der Mühlgraben waren für uns, die Ju­gend aus der Umgebung, ein naturbelassenes Badeparadies, solange es die Wassertemperatur zuließ. Welche Streiche und »Indianerfreuden« sich dort abspielten, wissen nur jene, die es noch selbst erlebt haben.
Wie ein Gruß aus der weiten Welt war die Bahnstrecke Hirschberg-Breslau mit regem Zugverkehr. Nur 80 m entfernt von der Bergmühle überquerte die Strecke auf einem Viadukt mit mehreren Bogen den Bober, um nach einem felsigen Einschnitt auf der eisernen »Schiefen Brücke« den Bober gleich noch einmal zu kreuzen. Das Rumpeln der Züge störte uns wenig und auch nicht das leise Summen der Turbine. Stand das Werk sonntags still, hörten wir nur das plätschernde Boberwasser.
Inzwischen ist die Bergrmühle, wie fast alles von Kupferberg, verschwunden. Das Boberwasser fließt aber noch und Züge rollen weiterhin durchs vereinsamte Tal.

Ernst Fürle

Dieser Bericht stand auch in der Schlesischen Bergwacht vom 5. August 1987.
Auf dem Weg zur Bergmühle wird ein Eisenbahnviadukt der Strecke Hirschberg – Breslau durchquert, das den Bober überspannt und in den letzten Kriegstagen von deutschen Truppen gesprengt werden sollte.
Dieser Unsinn der Selbstzerstörung wurde durch einige mutige Personen verhindert.