Königliche Hofkirche Erdmannsdorf – 2001/2005

Bevor ich auf unsere Kirche näher eingehe, möchte ich auf die Verhältnisse der Menschen in Bezug ihres Glaubens in früheren Jahrhunderten, speziell in diesem unseren Raum, einige Worte sagen: die damals hier angesiedelten hatten alle den selben Glauben, den die damals regierenden in Mitteleuropa besaßen, nämlich: römisch-katholisch. Das Sprichwort galt fast in allen Ländern: des Herrschers Religion ist auch die seiner Unterthanen.
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts aber kam ein Mönch namens Hus aus Böhmen auch in unsere Region und predigte gegen die überspitzte Auslegung der katholischen Religion und für eine freiere Glaubenslehre. Dieser Hus wurde zum ersten Reformator der Kirche, für eine humanere Auslegung der kirchlichen Verordnungen, weshalb er angeketzert und auf dem heiligen Konzil in Konstanz 1415 zum Feuertod verurteilt wurde. Mit seinen Predigten hatte er aber schon besonders in Böhmen und Niederschlesien viele Anhänger gefunden und es entstanden überall in Orten und Städten große Reformgemeinschaften, die sogenannten Evangelisch-Reformierten, sprich Protestanten.
Nach dem Feuertod des Hus aber gingen seine Anhänger zur Gewalt gegen die katholische Liga über. Das war der Beginn der Hussitenkriege, die auch Schlesien und unserer engeren Heimat großes Leid, vielen den Tod und schwere Verwüstungen brachten.
Die Erdmannsdorfer, viele von ihnen waren schon zum reformierten Glauben übergetreten, mußten in Lomnitz zur Kirche gehen. In der Gegenreformation wurde ihnen aber 1654 diese Kirche entzogen. Fortan aber haben diese Gläubigen weite Wege auf sich genommen, z. B. nach
den sogenannten Grenzkirchen in Probsthain bei Goldberg oder nach Wiesa bei Greifenberg, und sie scheuten sich nicht, um einen evangelischen Gottesdienst beizuwohnen, oder sie wurden auch teilweise von Buschpredigern an versteckten und geheimen Plätzen im Gebirge bedient, immer nicht sicher vor den andersgläubigen Häschern.
Nach dem Bau der Hirschberger Gnadenkirche von 1709 bis 1718 gingen unsere Evangelischen nach Hirschberg, und nach der Errichtung der Lomnitzer Bethhauskirche 1742 wurden sie dort eingepfarrt.
Als König Friedrich Wilhelm III. 1832 das Erdmannsdorfer Schloß und seine Besitzungen kaufte, und in den Folgejahren oft nach hier zu Besuch kam, fehlte ihm, da er ein frommer Herrscher war, der sonntägliche Gang zum Gottesdienst. Postum faßte er den Entschluß, den hiesigen Gläubigen ein eigenes Kirchensystem zu geben und beauftragte seinen königlichen Hofbaumeister Carl Friedrich Schinkel, der in seinen Studienjahren auch oft Italien bereiste und die dortigen Kirchenbauten studierte, mit dem Entwurf einer Skizze zum Bau einer Hofkirche. Sie sollte weitgehend schlicht, aber sich baulich und architektonisch von den anderen Kirchen der Gegend abheben. Bereits am 12. September 1836 war Grundsteinlegung und die Arbeiten gingen zügig voran, so daß der 3. August 1838 als Tag der Einweihung gefeiert werden sollte. Die neue Kirche wurde im byzantinischen Stil nach dem Vorbild des „Campanile di San Marco von Venedig“ erbaut. Doch am 8. Juni 1838 stürzte der fast fertige Turm in sich zusammen und begrub 10 Handwerker unter sich, die nur noch tot geborgen werden konnten. Die Ursache vermutete man in ungenügender Fundamentierung und der Schnelle der Errichtung. Der König war über das Unglück sehr erzürnt und gab dem Bauleiter Frey aus Schmiedeberg die Schuld, der daraufhin seine Konzession verlor, in Liegnitz eingekerkert, später aber begnadigt wurde, doch bald seinem Leben durch Freitod ein Ende setzte. Die weitere Bauleitung lag nun in den Händen des königlichen Hofbaumeisters Haamann aus Berlin.
Nun mußte der Turm neu gebaut werden. Durch die in der Zwischenzeit aber in unserem Dorf aufgenommenen über 400 Tyroler Exulanten wurde das Kirchenschiff um zwei Fensterbreiten verlängert und bietet somit 800 Gläubigen Platz. Der nun nicht mehr mit dem Mauerwerk des Kirchenschiffes verbundene Turm hatte ursprünglich eine Höhe von 35 Meter und war als flachgedeckter italienischer Glockenturm konzipiert. Diese Ausführung aber gefiel König Friedrich Wilhelm IV. dann nicht mehr und er ließ 1858 die jetzige gotische Spitze aufsetzen, wodurch der Turm um weitere 20 Meter auf jetzt 55 Meter gewann und sich somit in der Höhe über dem Profil des Schloßturmes absetzt.
Ein wertvoller Teil des Kirchenneubaues sind 2 marmorne Säulen aus Pompeji, die das Dach der Vorhalle tragen. Unser Stifter erhielt sie als Geschenk des Königs von Neapel.
Die Orgel wurde 1840 vom Orgelbaumeister Buckow aus Buchwald gefertigt und es ist noch heute nach mehrmaligen Restaurierungen ein Genuß, ihrem Klang zu lauschen.
Die Glocken wurden von der Glockengießerei Siefert aus Hirschberg gegossen und waren ein Geschenk der Königin Elisabeth an die hiesige Gemeinde. Ihnen erging im 1. Weltkrieg das Schicksal vieler tausend anderer Glocken, die zu Kriegszwecken eingeschmolzen wurden. 1923 sind an Kollektenspenden, aus Sammlungen und örtlichen privaten Geldgebern insgesamt 24 377 180 118 028 Mark Inflationsgeld für 4 neue Glocken eingegangen. Eine Kinder-, eine Sterbeglocke und zwei Glocken, die die Gläubigen zum Gebet resp. zum Gottesdienst rufen, die in der Glockengießerei von Linke-Hoffmann-Lauchhammer in Torgau in Sachsen gegossen wurden und insgesamt 358 118 028 Mark kosteten.
Am 8. Dezember 1840 wurde endlich die neue Kirche in Anwesenheit des Staatsministers von Rother und vieler anderer hoher Staatspersönlichkeiten eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben.
Vor der Kirche auf dem Vorplatz im Zentrum des halbhohen Terrassenbaues wurde ein Monument-Granitkreuz mit dem Medaillon Friedrich Wilhelm III. im Profil aufgestellt, an dem zur Rechten und zur Linken angelehnt an Seine Majestät den König je ein Bauernjunge, ein schlesischer Knabe in seiner Landestracht und ein tyroler Bub, ebenfalls in tyroler Tracht mit Wanderstab in der linken Hand, angelehnt standen.
Dazu gibt es später einen nachträglichen Bericht, welcher in den Akten der Kirche aufbewahrt worden ist unter Aktenstück: „Besondere Angelegenheiten“. Darin heißt es: „Im Jahre 1853 hat sich dieser schlesische Knabe, seine Namenskürzel lauten J.C.B., der als Model vom Künstler mit dem tyroler Buben J.B. für das Monument vor der Kirche ausgesucht wurde, sich als junger erwachsener Mann einer schweren Verfehlung in der Gemeinde schuldig gemacht. Nach seiner Tat verschwand er bei Nacht und Nebel, schlug sich bis nach Bremen durch und heuerte unter falschem Namen als Kohlenschipper auf einem Auswandererschiff nach Amerika an. Er wurde trotz intensiver Suche der Polizeihehörden nicht gefaßt. In der neuen Welt fing er ein neues Leben an,‚ wurde durch harte und disziplinierte Arbeit und Können angesehener Vorarbeiter, ersparte sich ein kleines Vermögen und kam im gestandenen Mannesalter wieder in sein altes Dorf zurück, wo er fast sein ganzes Vermögen der Kirche vermachte mit der Auflage, in diesem Ort seine letzten Lebensjahre und Erdenzeit beenden zu können, und die Kirche ihm eine würdige Ruhestätte zuzuweisen. Seine damalige Tat war längst verjährt. Er wurde zwar von den Gemeindegliedern geschnitten, aber er war ein welterfahrener Mann geworden und kehrte geläutert zurück.“
Der andere Bube, der tiroler Knabe Johannes Bagg, als 5 jähriger mit seinen Eltern und einer Schwester 1837 hier eingewandert, war hochintelligent und studierte Theologie an der Berliner Universität. Seine hohe Begabung veranlaßte ihn, Opernsänger zu werden und war an vielen europäischen Bühnen verpflichtet, wie an der Mailänder Skala und viele Jahre in Riga, sowie an der Metropolitan Opera in New York und an vielen Häusern mehr. Beim 50 jährigen Jubiläum der Tyroler Einwanderung 1887 lies er seine wunderbare, hochgeschulte Stimme auch in Erdmannsdorf erklingen. Im Alter kehrte er wieder nach Zillerthal zurück und starb am 14.05.1922 als letzter der damals eingewanderten Tyroler im Alter von 91 Jahren. Seine Eltern waren Müller und errichteten sich in unserem Dorf eine Mühle, die nach ihrem Namen nach genannte Bagg-Mühle, linker Hand auf der Straße nach Buchwald. Seine einzige Schwester Sara ehelichte den schon älteren Junggesellen und Anführer der Zillertaler Exulanten bei der Auswanderung aus Tirol. Johann Fleidl, dem sie noch 5 Kinder schenkte.
Das unten an der Rundmauer der Terrasse befindliche Relief zeigte die Büsten von drei Reformern: Martin Luther, und den beiden schweizer Reformatoren Calvin und Zwingli.
Die Baukosten des Kirchenbaues beliefen sich auf 26.000 Reichstaler. Für die Besoldung des Geistlichen, des Küsters und des Lehrers wurden 22.500 Taler bereit gestellt. Die Auslösesumme aus dem Lomnitzer Kirchspiel betrug 10.000 Taler. Diese Gesamtsumme von 58.500 Taler bezahlte der König aus seiner Privatschatulle. Ein wahrhaft großzügiges Geschenk an seine Elrdmannsdorfer und Zillerthaler Unterthanen, die ihm dieses aber auch mit Pietät und großer Dankbarkeit zeigten.
Zeitgleich mit dem Kirchenbau entstand auch das Pastorenhaus und ein neues Schulgebäude.

Zum Inneren des Gotteshauses:
Das Sparrwerk der Decke liegt offen, die Binder sind mit Verzierungen versehen.
Die Decke himmelblau mit goldenen Sternen bemalt.
Das Pflaster ist Kunzendorfer Marmor (so wie im Schloß Sanssouci in Potsdam).
Das Altarbild ist ein Geschenk des Königs Fr. W.III. und stellt Christus unter den Kindern dar.
Auch die Abendmahlsgefäße sind ein Geschenk des Herrscherpaares, nämlich Königin Elisabeths.
Die königliche Loge befand sich auf dem Empore in der nordöstlichen Ecke.

Begüterte und kapitalkräftige Gläubige des neuen eigenständigen Kirchenspiels kauften sich, wie es früher überall üblich war, Sitzplätze für ihre Familienmitglieder unten in den Bänken und der Empore.
Der erste Geistliche unserer Kirche und Gemeinde war Pastor Johann Gottlieb Roth, zuvor Pastor in Reibnitz.
Der Letzte bis ca. 1943, als er zum Heer eingezogen wurde, der mit dem seinerzeitigen Regime oft in Konfrontation stand, den wir alle hier versammelten Zillerthaler und Erdmannsdorfer noch gut kannten, den wir sehr liebten, achteten und verehrten, der uns taufte und zum größten Teil auch noch konfirmierte, hieß: Alfred Glatz.
Ab 1943 bis 1945 wurden die kirchkichen Handlungen von einer Vikarin und danach bis 1946 von Frau Pastorin Theodora Körner, einer Breslauerin, die nach 1946 in Süddeutschland lebte, inzwischen aber auch verstorben ist, vollzogen.
Nach der letzten Konfirmation im März 1946 wurde das Gotteshaus uns Deutschen entzogen und unter der polnischen Verwaltung katholisiert.
Am 18. September 1946 wurde die einst protestantische Kirche mit ihren Gebäuden zur Nutzung an die Lomnitzer Gemeinde als Filialkirche übergeben. Erst am 15. Juli 1957 wurde sie wieder durch den Breslauer Bischof Boleslaw Kominek von der Lomnitzer Gemeinde losgelöst. Es wurde ihr der Status der Gemeindekirche von Myslakowice verliehen mit dem Namen „Zum Heiligen Herzen unseres Herrn Jesus“.
Und damit hatte unser Ort wiederum Glück, unsere Kirche wurde zwar innerlich mit katholischen Bildnissen, Gemälden und Sakralgegenständen leicht verändert, blieb aber in ihrer baulichen Substanz erhalten, im Gegensatz zu anderen evangelischen Kirchen im nahen Umland, welche, wo sich noch eine katholische Kirche im selben Ort befand, diese dem Ruin und Verfall preisgegeben wurden. Dieses Schicksal ist unserer Kirche erspart geblieben.
Die Geistlichen der Erdmannsdorfer Kirche hießen und ihre Dienstzeit für die Gemeinde
nachfolgend:

1. Pastor Gottlieb Roth, vormals Pastor in Reibnitz vom 9. Oktober 1838 bis 10. Juli 1870
32 Jahre
2. Pastor Albert Eduard Friedrich Anderson vom 4. Juni 1871 bis 23. Oktober 1881
10 1/4 Jahre
3. Pastor Tiesler vom 22. März 1882 bis 1. September 1911
29 Jahre
4. Pastor Julius Dehmel vom 01. Oktober 1911 bis 1.Oktober 1916
5 Jahre
5. Pastor Johannes Wiemer vom 1. Mai 1917 bis 10.September 1929
12 1/2 Jahre
6. Pastor Alfred Glatz vom 8. Dezember 1929 bis offiziell 1940,
wo er zum Kriegsdienst einberufen wurde,
11 Jahre
ab 1940 abwechselnd kurzzeitig ständig neue Vikare und Vikarinnen oder junge angehende
Pastöre, die aber bald zum Heer einberufen wurden.
Ab Sommer 1945 Pastorin Theodora Körner aus Breslau, bis zur Schließung des Gotteshauses
für Deutsche im März 1946.
Außer Pastor Alfred Glatz sind seine Vorgänger während ihrer Tätigkeit als Pfarrer der
evangelischen Kirchengemeinde Erdmannsdorf stets zum Superintendenten ernannt worden.

 

Salzgitter-Lesse, den 1. Juni 2005. Ergänzt vom 10. Dezember 1998
Georg Schnabel
geboren in Erdmannsdorf
Alter Dorfweg 16